Designierter Giro-Champion: Simon Yates am Ziel seiner Träume.
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«Besser wird’s nicht»: Yates und die Rache in Rosa

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Leipzig/Rom (dpa) – Seinen letzten Kampf bei diesem denkwürdigen Giro d’Italia verlor Simon Yates. Nach seiner famosen Klettershow am berüchtigten Colle delle Finestre und der wohl vorentscheidenden Fahrt ins Rosa Trikot konnte der designierte Champion die Tränen nicht mehr unterdrücken. «Ich bin sehr emotional», sagte Yates, der vor Rührung kaum reden konnte. «So viele, viele Jahre habe ich es beim Giro nicht geschafft. Doch heute war mein Tag.»

Nur noch die Ehrenrunde mit dem Start im Vatikan und dem Ziel am Circus Maximus musste Yates unbeschadet überstehen – Formsache bei fast vier Minuten Vorsprung vor dem jungen Mexikaner Isaac del Toro. «Es ist ein wenig wie im Märchen. Ich kann das alles gar nicht glauben», sagte Yates. «Ich bin wohl am Höhepunkt meiner Karriere, das wird nichts mehr toppen können. Besser wird’s nicht.»

Am Ort der größten Niederlage

Es war nicht irgendeine Etappe, die letztlich die Entscheidung über den Gesamtsieg bei der zweitgrößten Rad-Rundfahrt der Welt brachte. Für Yates war es ein Tag für den inneren Frieden. Wenn man so will, eine rosa Rache.

Der 32-Jährige hatte am monströsen Finestre, dessen letzte acht von fast 19 Kilometern eine grobe Schotterpiste sind, den Tiefpunkt seiner Karriere erlebt. 2018 war er als souverän Führender in die damals drittletzte Etappe gegangen. Dann kam der Finestre – und Chris Froome trat 80 Kilometer vor dem Ziel zu seinem legendären Solo an. Yates brach komplett ein, verlor fast 40 Minuten und den Giro.

«Als die Strecke veröffentlicht wurde, hatte ich den Gedanken, zurückzukommen und das Kapitel zu beenden», gab Yates zu. «Vielleicht nicht unbedingt auf diese Art und Weise, aber ich wollte es in irgendeiner Form mir selbst beweisen.»

Del Toro verliert «Spielchen»

Mit 1:21 Minuten Rückstand war Yates als Gesamtdritter in die Finestre-Etappe gegangen. Da der junge del Toro – die Entdeckung dieses Giros – lediglich Augen für seinen direkten Verfolger Richard Carapaz hatte, nahm Yates sein Schicksal selbst in die Hand. Es bedurfte allerdings vier harter Attacken, bis der Mann aus Lancashire endlich die entscheidende Lücke gerissen hatte.

Yates stürmte den Finestre hinauf, im Tal zum Schlussanstieg bekam er zudem wertvolle Hilfe durch seinen Teamkollegen Wout van Aert, der Teil einer Fluchtgruppe war. Del Toro reagierte erst, als Yates virtuell schon im Rosa Trikot war – da war der Giro für ihn schon verloren. «Jeder hat Spielchen gespielt», meinte del Toro. «Mal gewinnt man, mal verliert man.»

Del Toro wird aller Wahrscheinlichkeit nach noch zahlreiche Chancen bekommen. Yates kann künftig von sich behaupten, so ziemlich das Maximum aus seiner Laufbahn gemacht zu haben. Neben Vuelta- darf er sich wohl auch Giro-Sieger nennen, bei der Tour de France gewann er zudem zwei Etappen. Ein Gesamtsieg dort ist angesichts der Konkurrenten Tadej Pogačar und des in seinem Team fahrenden Jonas Vingegaard tatsächlich eine Nummer zu groß.